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Sonntag, 21. April 2013

Mythen zementieren

Kaum ist etwas Zeit ins Land gegangen schwimmt die Erinnerung, gewandelt in Mythen und Pauschalaussagen, davon.
Eine beinharte Tatsache in der mündlichen Geschichtsschreibung der DDR ist der eklatante und immer währende Mangel an Baustoffen im Allgemeinen und Zement im ganz Speziellen.
Verwundert reibt aber jeder die tränenden Augen, der sich mit dem Abbruch seinerzeit entstandener Bauwerke den Tag versüsst. Hier war es eine kleine Bodenplatte, die eventuell als Basis für eine Veranda gedacht war, aber weit über diese Anforderungen hinaus aufgerüstet wurde.
Da angelieferte Fertigbeton noch nicht erfunden war, musste jede Schubkarre im Freifallmischer angesetzt werden - nach eigenem Rezept.
War es die Angst, diese Plackerei schon nach wenigen Jahren wieder vor sich zu haben oder die alte Formel "Viel hilft viel"- jedenfalls ging sehr viel des eigentlich unauffindbaren Zementes in die monströs angelegte Gründung.
Die summenden Handgelenke am großen Hammer singen vom eigentlichen Mangel, der beklagenswert war: dem nicht vorhandenen Wissen. Denn ob gemauerte Innenwände, Reparaturstellen an Lehmdecken oder Außenputz - allüberall kam nur der gute Portlandzement in die Tüte. Alle blau schimmernden Mauerteile zeugen von der verlorenen Kenntnis, dass diese Arbeiten eigentlich mit Kalk und Lehm auszuführen sind.
So kam es zu zwei gleichzeitigen Realitäten: Den massenhaften sinnfreien Verbrauch samt folgenden strengen Mangel. Wenn noch ein alter Fahrradrahmen als Bewehrung den Weg in die Masse gefunden hätte, wäre der Rückbau gescheitert.
Also ist Quantität die eigentliche Qualität für den Werktätigen? Heute nimmt die Baustoffindustrie dem Kunden das Denken und Wissen ab und lässt ihn in jeder Dekade neue, moderne Systembaustoffe übereinanderkleben, nachdem die vorigen im Container landeten.

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